Eine Frage des Geschmacks

Fettflecken überall, außerdem Bauchschmerzen.Verwirrung, Frustration, Erleuchtung und Begeisterung. Alles in allem: Ein ganz normaler Zustand nach einem Tag mit cured meat tasting – oder Verkostung von tja, wie heißt das auf Deutsch? Pökelware?? Trocken- und Rauchfleisch? Ach was, Würste und Schinken!

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Ganz Italien liegt vor uns auf dem Teller. Vom Parmaschinken bis zur toskanischen Fenchelsalami. Der Geruch ist überwältigend, trotz geöffnetem Fenster. Wir nehmen die Scheiben in die Hand, riechen, prüfen die Konsistenz, schmecken. Die Supermarktsalami fällt sofort unten durch. Einfach nur salzig, ölig, sauer. Kein Wunder. Ist eine gute Salami doch ein Produkt, das Zeit zum Reifen braucht. „It’s just a matter of aging“ – das steht auf einer der Slides, mit der der Geschmacksdirektor der Uni Mirco Marconi uns durch das gesamte Schweineverwertungsprozedere jagt. Wie im richtigen Leben! Cured meat ist Slow Food im wahrsten Sinne des Wortes: Der spanische Jamon Iberico muss mindestens drei Jahre reifen. Die Industrie trickst mit künstlichen Zusatzstoffen, um Zeit zu sparen und macht slow zu fast. Dabei sind auch die traditionelle Salami und Schinken letzten Endes das Ergebnis chemischer Prozesse – allem voran die Eiweißspaltung. Enzyme spalten die Proteine und produzieren Aminosäuren, sie geben Geschmack und machen das Fleisch zart. Salz stoppt diesen Prozess, wird aber benötigt, um das Fleisch zu dehydrieren, und es wird dadurch dichter. Es geht letzten Endes um die richtige Balance von Salz und Enzymen. Für eine Salami ist aber noch etwas anderes wichtig: Schimmelpilze. Ohne Schimmelpilze, keine gute Salami. Diese Pilze entstehen natürlicherweise beim Reifen im Keller. Bei Industrieprodukten werden sie künstlich aufgesprüht, für den deutschen Markt sogar am Ende wieder abgewaschen – der Deutsche mag Schimmel offenbar nicht so gerne auf seinem Essen.

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Zwar ist die Industriesalami schnell analysiert, der Rest jedoch bereitet Kopfzerbrechen. Ist das nun ein komplexes Aroma oder nicht, wie ist die Konsistenz? Schmilzt der Schinken auf der Zunge oder ist er gummiartig? Schmeckt er ranzig – wobei das offenabr nichts schlechtes heißen muss sondern einfach eine normale Geschmackskategorie darstellt? Gar nicht so leicht zu beantworten. Schmeckt die Salami nussig? Assoziationen fliegen durch den Raum. Meist rufen sie bei Marconi Augenbrauenhochziehen hervor. Na gut, Meeresbrise ist vielleicht keine Profiverkostungskategorie. Nasser Hund auch nicht. Ich finde anfangs alles einfach nur salzig. Mal mehr, mal weniger. Dann schmecke ich mehr, aber ich kann es unmöglich beschreiben. Mir fehlen die Worte. Frust. Existiert das, was man nicht benennen kann? Die Macht der Sprache macht mich mal wieder ohnmächtig. Wie oberflächlich man doch Nahrung zu sich nimmt! Ich bin erstaunt, wie lecker der Speck ist. Lardo di Colonnata ist ein Slow Food Presidia und wird in Mamorbehältern gereift und mit unzähligen Kräutern gewürzt – ich stelle mir vor, wie er hauchdünn geschnitten auf getoastetem Brot oder über einem Teller Pasta schmilzt… Wie würzig dieser weiße Speck schmecken kann, den ich früher eher naserümpfend geschmäht habe. Doch nach dem Speck geht nichts mehr. Ich fühle mich etwas elend. Regel Nummer eins für eine Verkostung: niemals die Kostprobe komplett aufessen!

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